17.-21.06.2013

Montag, 17.06.2013 Früh los, der Nicht-Wind von vorne, unter Maschine. Ab 12:30 Uhr unter Segeln weiter bis Kolobrzeg, sobald etwas Wind geht, läuft das Boot schnell mehr als 5 kt., dann macht Motoren keine Sinn mehr. Angesagte und vorhandene Windrichtung achterlich, großen Gennaker gesetzt, der neue Furlermechanismus macht deutlich weniger Probleme mit dem Reverse Furl. Im Herbst bekomme ich eine Weiterentwicklung mit mehreren Gelenken in der Schützhülle um die Antitorsionsleine von Gennex/Bartels kostenfrei, damit soll die Abknickungen der Schutzhülle vermieden werden, die auch mir passiert ist. Wind kommt immer vorlicher, Gennaker dicht geknallt, zuletzt auf Normalfock geändert. Winddreher betrug zuletzt in Summe ca. 60°. Achtern läuft hinter mit in weiter Ferne die La Vida, gleicher Ausgangshafen, gleicher Zielhafen. Ich bin um ca. 18:00 Uhr in Kolobrzeg, die La Vida um ca. 22:00, da schlafe ich schon tief und fest. In Kolobrzeg werde ich äußerst freundlich von gleich zwei Hafenmeistern am Steg angenommen, wir finden einen guten Platz für mich. Der Hafen ist neu und modern und soll noch wesentlich erweitert werden, ein echter Tipp jetzt und für die Zukunft. Sehr nette Stadt, sogar guter Lidl zum Bunkern in der Nähe.
Dienstag, 18.06.2013 Schnack im Hafen mit La Vida, nette Männertruppe, wollen auch am 04.07. in Riga sein für Chrewwechsel, das passt, dann will auch Doris dort sein, wir wollen locker Kontakt halten bis Riga. Layday. Alles gut.
Mittwoch, 19.06.2013 Früh aufstehen in Kolobrzeg, es soll mit der „La Vida“, dem Stegnachbarn, nach Darlowo gehen.
Unterwegs entscheidet La Vida, sofort außen rum zu gehen um das große Sperrgebiet 6, gleich mit Maschine gegenan über Nacht durchdrücken bis Wladislawowo.
Ich entscheide das Gleiche, jedoch unter Segeln, und auch erst kurz vor Darlowo. Ich habe keine andere Wahl, wenn ich weiterkommen will. Der Wind kommt genau gegenan. Damit ist es ein zu großes Risiko, nachts ab Darlowo in der schießfreien Zeit von 02:00 – 05:00 mit luvaluva da durchzugehen, weil ich das bei Welle und Wind gegenan nicht schaffen kann. Das nächste echte Problem wartet nicht lange: Draußen, hinter dem Schießgebiet lauern zwei stark befahrene Verkehrstrennungsgebiete bei der Stolpebank. Ich kann mich knapp davon freihalten, muß aber fast rechtwinklig am Kopfende dran vorbei nach draußen und auch genau so wieder kreuzend zurück. Alles klappt, ist nachts allerdings nochmal extra spannend. Ich segele also gerade knapp außerhalb des Verkehrstrennungsgebietes, wegen Wegerecht, allerding war der traffic an dem Kopfende des Verkehrstrennungsgebietes genau so intensiv wie innerhalb. Und ob mir einer ausgewichen wäre … es mußte nicht festgestellt werden, ging alles knapp gut. Ich hatte keine andere Wahl, das Verkehrstrennungsgebiet grenzt direkt an das Schießgebiet, so dass dazwischen keine Platz für Kreuzschläge blieb. Und dank AIS-Class-B-Transponder und aktivem Radarreflektor bei mir an Bord war ich auch (zu) gut erkennbar. Außerdem sah das Schießgebiet eher aus wie der Himmel zu Sylvester, ein permanentes Feuerwerk, schön anzusehen, wenn man außerhalb dieses ganz offensichtlich sehr aktiven Gebietes ist. Der Nordost bleibt bis kurz vor Rowy, dann erst kommt der angesagte kräftige Rechtsdreher. Der einzige Lichtblick auf der Tour: Ich hatte gerade die Küste bei Rowy erreicht, als der 50°-Rechtsdreher kommt, ab dann konnte ich ohne weitere Wenden Leba anliegen. Wäre der Rechtsdreher früher gekommen, wäre ich wieder einmal nur „zurück“ gesegelt, denn ich war die ganze Zeit auf der „falschen“ linken Seite der Bahn für einen Rechtsdreher, also echtes Glück gehabt. 117 nm Kreuz, alleine, 21 Stunden an Bord auf Reise, zuzüglich Vor- und Nachbereitung. Bei Leba gegen 04:00 Uhr draußen in Ruhe die Segel geborgen, dabei ist aus ungeklärtem Grund die Antriebseinheit (Schubeinheit / Kolben-Zylinder-Antrieb) des neuen Autopiloten kaputt gegangen, wahrscheinlich hat sich die Antriebseineheit am Endanschlag selbst zerstört. Merkwürdig zusätzlich: Beide Batterie sind platt, ich kann gerade noch den Motor starten. Ich gelange auch so in den Hafen, Leine fest und sofort „ohnmächtig“ schlafen. Zunächst nur stundenweise, zu sehr ist meine innere Uhr verdreht.
Donnerstag, 20.06.2013 Die Raymarine Pinnenpilot Antriebseinheit/Schubeinheit ist richtig nachhaltig defekt. Das Gerät läuft nur noch langsam und zäh. Nach Rücksprache mit Raymarine hilft nur Neukauf vor Ort, Garantie des defekten Teiles zu Hause erledigen, und zuletzt gehören mir so zwei Antriebe, hoffentlich immer beide intakt. Leba ist ein schöner, geschützter Flecken Erde, hier bleibe ich, bis eine neue Antriebseinheit da ist. Ein sehr kompetenter Händler in Gdansk besorgt das Teil aus Belgien (immerhin: Dort ist es vorhanden, wie schön!) und will es bis Montag per Kurier zu mir nach Leba bringen. Sogar die Bezahlung wird mit Vorkasse geregelt. Leider ist das Teil mehr als dreimal so teuer, wie der Preis, den er mir im ersten Telefonat nannte: Nicht 580.- (für das einfach Teil) sondern 1845.- für das „besonders haltbare Teile“ (schwarzer englischer Raymarine Humor) werden aufgerufen. Ich habe recherchiert, der Preis ist korrekt. Heute also ausschlafen ausschlafen ausschlafen. Abends sehr nett im Zander Budenrestaurant direkt am großen Fischereihafen gegessen, sehr atmosphärisch. Bier konnte im Zanderrestaurant nicht gekauft werden, dass holt mann sich aus dem Nachbarbudenrestaurant selbst. Sehr nette andere Gäste erklären mir das Leben hier.
Freitag, 21.06.2013 Um pünktlich 04:45 wummert direkt neben mir der Motor eines Angelkutters, der sich klar macht, mit Gästen für den ganzen Tag zum Angeln zu fahren. Alle angeln hier. Von überall. Von Molenköpfen, Brücken, dicken Pötten, kleinen und kleinsten Schiffen. In Swinemünde habe ich die Freude erlebt, als ein Pärchen einen Hecht holte. Ich scheine einigermaßen den Schlafentzug nachgeholt zu haben, wie schön, denn der Ritt an Rußland vorbei nach Kleipeda ist das nächste Vergnügen der gleichen Art, das mich schon bald erwartet. Nicht unter 22 Stunden. Und definitiv nicht mit Kreuzen, dann segele ich sofort zurück zu meinem Ausgangshafen, der wird wohl Wladislawowo heißen und mein nächster Hafen sein. Schade, Gdansk lasse ich also aus, will Doris nicht zu lange warten lassen. Heute Radeln zu den riesigen Sanddünen von Leba, relaxen und endlich wirklich entschleunigen. Und morgen. Und übermorgen. Und erst Montag kommt dann hoffentlich schon mit Kurier der neue Antrieb, anstecken an die alten Verbindungsteile, klack und geht. Hoffentlich. Wir werden es erleben.