15.+16.06.2013

Samstag, 15.06.2013 wieder aufstehen 05:45 Uhr. Starkwindfock abschlagen, angesagt ist sehr wenig Wind aus sehr vielen Richtungen, Normalfock angeschlagen.
Mega-Streß mit Navi-PC. Trotz vorheriger Viren- und Malware-Suche von Profi-Firma ist der Navi-PC krank. Maus springt und macht was sie will, PC ist irre langsam, fährt nur sehr langsam hoch, zeigt die merkwürdigsten Fenster, schaltet sich spontan ab und ist absolut unbrauchbar, mein wichtigstes Tool.
Leichte Panik steigt in mir auf, ich denke daran, umzukehren. Ganz schnell noch den Backup-Navi-PC im Austausch in die Kiste unter den Niedergangsdeckel gehängt, aktuelle Sicherungen überspielt, der Backup-PC GEHT !!! und gerade noch rechtzeitig um 8:20 Uhr durch die Ziegelgrabenbrücke. Danach erstmal richtig anziehen, einige der anderen passierenden Yachten segeln. Wie sich später herausstellt, zeichnet der ChartNavigatorProfessional meinen track nicht auf, schade, mein Einstellungsfehler in der Eile. Immerhin bleibt noch der Garmin, der trackt für fugawi. SüdOstWind bedeutet gnadenlose Kreuz. Mache ich auch, mein geringer Tiefgang erlaubt mir segeln auch außerhalb des engen und gewundenen Fahrwassers. Trotz permanenter Kreuzschläge (fast alle Wenden gelingen mit dem neuen Autopiloten) komme ich im geschützten Flachwasser rasch voran. Bei der Insel Ruden (Peenemünder Haken) werde ich übermütig, entscheide mich kurzfristig um, statt Peenemünde geht es nun nach Swinemünde, ich schlage den Peenemünder Haken, der Navi-PC behauptet, ich sei um 17:00 Uhr in Swinemünde … Was der Navi-PC nicht wußte, und auch mir erst allmählich dämmerte: Nach Swinemünde geht’s nochmal mehr nach rechts, der Wind kommt noch mehr und genauer von vorne, der Schutz der Boddengewässer fehlt, eine megalausige Ostseewelle macht dem Tri ordentlich zu schaffen. Zwei dicke Wellen, platsch platsch, und der Dampfer steht. Strömungsabriß am Ruder, Patentwende ohne Vorbereitung und völlige Verwirrnis für den Kurscomputer. Dauernd piept irgendwo irgendwas, Fock steht back, rückwärts fahren, wieder los, wieder back, und das gleich alles nochmal von vorn usw. Komme mir richtig entschleunigt vor beim Rumhüpfen an Deck. Nur der Dampfer ist wirklich entschleunigt, die VMG (Velocity made good „in Richtung Ziel“) geht gegen Null … Der Wind (angesagt war so gut wie gar kein Wind … !!!) nimmt zu, aufkommende Thermik beschert mir starke Windstärke- und Windrichtungsschwankungen, auf der der ansonsten gute Autopilot keine Antwort weiß. Also nicht ganz so hoch zielen, die Kreuzschläge etwas breiter fahren, für den Autopiloten, und sich abfinden mit weniger Höhe und weniger VMG. Der Wind erreicht zuletzt 5+bft, mein Windmesser an Bord (=scheinbarer Wind) zeigt max. 26 kt. Speed over Ground 6-8 kt. Eigentlich müßte das Groß ein- oder zweimal gerefft werden, die Abwinde der Fock sind im vorderen Leedrittel des Großsegels trotz durchgehender Latten deutlich erkennbar. Ich vermute nur ein Wettermißverständnis und erwarte bald gegen abend wieder abflauenden Wind. Daraus wird nichts. Zuletzt zieht es sich zu, ich befürchte Gewitter, aber dann hellt es sich wieder etwas auf. Nochmal Glück gehabt. Um schneller nach Luv und Swinemünde zu kommen, gehe ich jetzt immer öfter selbst an die Pinne und kann die bis max. 20°-Winddreher so besser als der Autopilot nutzen und ich vermeide so auch unabsichtliche Wenden. Vor Swinemünde, auf der Ostsee, bei er Hafeneinfahrt, in aller Ruhe beigedreht, Segel runter und mit 3 kt über Grund die Swine aufwährts in den perfekten, neuen Sportboothafen Basen Polnocny. Nette polnische Segler nehmen meine Leine am Schlengel-Schwimmsteg an.
Reine Zeit auf dem Wasser an dem Tag: 11,5 Stunden für knapp 67 nm (von 08:00 Uhr – 19:30 Uhr) nonstop Konzentration. Und um genau 20:00 Uhr passiert im Hafen, wovor ich vorher also nicht unbegründet Angst hatte: Gewitter mit Gewitterbö und Starkregen. Habe mich sauwohl gefühlt in dem Moment, unter der Mini-Kuchenbude und IM HAFEN.
Ich bin sehr erschöpft, vor allem mental, wegen der Konzentration. Nix gegessen, Toilette war auch verboten bei dem Wind, nur getrunken. Bin Milliarden von Fischerfähnchen ausgewichen (alle in dezentem Schwarz gehalten, damit man die nicht sehen kann), habe verschiedenste große Tonnen umrundet und werde sehr gut schlafen.
Sonntag, 16.06.2013 ein dickes Tief über unseren Köpfen, beim Hafenmeister steht Wetter: 6 bft., im Nordteil auch 7 und 8 bft. Der Wind pfeift, die Bäume biegen sich, ich kann liegenbleiben. Das Schiff ruckelt in den Leinen am Schwimmsteg. Verschiedene Segler gehen raus, alle jedoch „rückwärts“ in Stettiner Haff, Ückermünde z.B., oder zu den dortigen polnischen Häfen.
Radtour in die Stadt, Brötchen holen und Proviant, ein Supermarkt hat geöffnet. Überall erkennbar: Renovierung, Erneuerung, modernes Stadtbild neben altem Charme früherer Zeiten. Es wirkt ausgesprochen aufgeräumt, freundlich und einladend.
Sonntag früh fast menschenleer. Ob alle in der Kirche sind?